Helen "b.raucht" Kraft

Veröffentlicht auf von Helen B. Kraft

Als ich mein Pseudonym erdachte, ging es mir darum, Menschen, die mir etwas bedeuten, damit zu würdigen. Niemals hätte ich erwartet, dass ich daraus mal solch einen Satz würde ableiten können. Doch es ist so. Helen braucht Kraft. Viel davon. Denn ihr Leben ändert sich. Hat sich geändert. Muss sich ändern.
Es ist keine Woche her, da habe ich die erschreckende Diagnose MS bekommen. Zwischenzeitlich habe ich mich an den Gedanken gewöhnt, weiß, dass sich viel ändern muss. Trotzdem tut der Gedanke weh. Alle Dinge, die ich geplant und mir vorgenommen hatte, muss ich nun erst überdenken, bevor ich mich daran wagen kann. Immer im Hinterkopf, ob ich damit nicht die drei Faktoren herauf beschwöre, die mir neue Schübe beschere: Eine Kombination aus Lärm, Hitze und Stress. Zwei davon kann ich handlen, alle drei offenbar nicht. Und noch mehr muss sich ändern:
Ich werde radikal abnehmen müssen, muss mein Leben umorganisieren, weniger Stress, mehr Ruhepausen. Das bedeutet für mich in erster Linie, viel Zeit zum Nachdenken. Ich muss lernen, Prioritäten zu setzen. Erst ich, dann andere. Das mag im ersten Moment egoistisch klingen, aber wenn ich nie wieder dieses Gefühl, fremd in meinem eigenen Körper zu sein, fühlen will, dann bleibt mir keine andere Wahl.
Sicher, an meiner Fantasie wird sich nichts ändern. Ich bleibe Autorin, schreibe weiter meine verrückten Ideen nieder. Aber werde ich die Zeit finden, noch so intensiv andere Autoren zu betaen? Oder besser, will ich mir diesen Stress geben? Es gibt mindestens zwei Autoren, bei denen will und werde ich nicht auf das Vergnügen und die Arbeit verzichten wollen. Ich bin Fan, da schneide ich mir doch nicht selbst ins eigene Fleisch. Aber ich werde meine ehrenamtliche Lektoratsarbeit wohl vollkommen einstellen. Es wird wehtun, und ich werde mich sicher öfter langweilen, aber auch diese Art der Arbeit ist mit Stress verbunden – und damit ist nicht immer positiver Stress gemeint.
Leider grabe ich mir damit selbst ein wenig am Wasser. Denn durch meine Betaarbeit habe ich selbst viel gelernt, über meine Schreibe, meinen Stil, die Art, wie Texte verbessert werden kann. Dennoch mag ich nicht absehen, was geschieht, wenn ich mir selbst weiterhin so viel Druck mache, der eigentlich unnötig ist.
Natürlich wird es immer noch Romane geben, die ich lesen will. Und die ich betaen will. Nichtsdestotrotz muss ich lernen, dass mein Körper seinen eigenen Willen hat, und ich diesen zu respektieren habe. Dass man mir dies erst auf die harte Tour erklären muss, war nicht schön, aber den zweiten Schuss vor den Bug hab ich kapiert.
Was heißt das nun?
Kein NaNoWriMo mehr. Ein Monat Schreibstress verkrafte ich kaum. Vielleicht schreibsel ich für mich in dieser Zeit etwas mehr, aber ich setze mich nicht mehr unter Druck. Die leichte Depression, die ich beim letzten Mal hatte, könnte ebenfalls ein Indikator für einen Schub gewesen sein. Man weiß es nicht, ich will es nicht mehr wissen. Ein Blick nach vorn: Straight ahead.
Eingeschränktes Betalesen: Jap, ich sagte es schon.
Andere ins Boot  holen: Genau das muss ich tun. Ich muss lernen, Verantwortung abzugeben. Derzeit kann ich maximal ein-zwei Stunden konzentriert an etwas arbeiten. Danach fühle ich mich wie ein Kaugummig: durchgekaut, ausgespuckt und unter einer Schuhsohle klebend. Ich habe Hungerattacken, Hitzeschübe, Schwindelanfälle und dazu einen Körper der zu 85% taub ist. Ich MUSS also andere für mich arbeiten lassen. Okay, das klingt jetzt sehr rabiat, damit gemeint ist, dass ich darauf vertrauen muss, dass mein Mann nicht meine Wäsche in Kinderkleidung verwandelt und das Bad genauso sauber wird, wenn er es macht; dass meine Arbeitgeber mir die Unterstützung geben, die ich brauche; dass meine Freunde und Familie mir keinen Druck machen, wenn ich heute sage, es geht nicht. Und so vieles mehr.
Ist es ein Lernprozess? Aber sicher.
Schaffe ich das? Ich hoffe.
Gebe ich auf? NEVER EVER!
Wer wie ich über Heldinnen schreibt, darf nicht selbst die Flinte ins Korn werfen. Ich werde jammern, meckern, weinen – dazu kenne ich mich zu gut, als dass dem nicht so wäre – trotzdem blicke ich nach vorn. Es gibt für alles eine Lösung und ich weigere mich, den Kopf in den Sand zu stecken.

Zum Abschluss, dieses wirren und vollkommen ernstgemeinten Blog-Eintrags möchte ich den Mädels und Jungs aus dem Tintenzirkel danken. Ihr gabt mir Kraft, als ich sie dringend brauchte. Ihr habt mir Mut gemacht, als ich dachte, ich falle und ihr habt mich aufgehoben, als ich am Boden lag. Ohne euch hätte ich die Diagnose sicher nicht so leicht verkraftet. Allen voran mein kleiner Fisch Tanja Rast, die für mich den Kontakt außerhalb des Krankenhauses aufrecht erhalten hat.
Ich hab euch alle lieb!

Veröffentlicht in Persönliches

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M
<br /> Und wir haben dich lieb und wissen, dass du das schaffst! :)<br />
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